Ein Wunsch-Radwegenetz für Rodgau

Die Zeit ist reif, eine Vision für mehr Radverkehr zu entwickeln. Genau dies wollen wir mit einem Wunsch-Radwegenetz für Rodgau in die Tat umsetzen. Mit der Aufwertung des Radverkehrs wird erreicht, dass alle Mobilitätsformen gleichberechtigt den öffentlichen Raum nutzen in dem sich Fußgänger:innen, Fahrradfahrer:innen und Autofahrer:innen auf Augenhöhe begegnen können. In der Vergangenheit haben sich Stadt- und Verkehrsplanung auf den Bedarf des motorisierten Individualverkehrs, das Auto, konzentriert. Für eine moderne und zukunftsorientierte Stadt ist es heute aber wichtig, sich von einer autogerechten zu einer bürgerfreundlichen Stadt, in der Straßen und Plätze allen gleichberechtigt zur Verfügung stehen, zu wandeln.

Inhalt:

  1. Radfahren in Rodgau heute
  2. Der Bund stellt Geld für Radwege bereit
  3. Gestaltung des Wunsch-Radwegenetzes
  4. Die Karte der Netzes
  5. Deine Mithilfe ist gefragt
  6. Was passiert mit dem Wunschradwegenetz
  7. Von der auto- zur bürgerfreundlichen Stadt
  8. Ergebnisse

1. Radfahren in Rodgau heute: unsicher, unbequem und nicht fahrradgerecht

Fahrradfahren und zu Fuß gehen ist in Rodgau derzeit noch kein Vergnügen und häufig mit Gefahren verbunden. Rodgau ist eine autogerechte Stadt: Autos werden auf Bürgersteigen geduldet, nur selten wird hier entgegengewirkt und sanktioniert. Das Parken im öffentlichen Raum, selbst auf ausgewiesenen Radwegen, wird von vielen als ihr gutes Recht angesehen. Immer mehr und immer größere und schwerere Autos werden so zu einem Störfaktor und zum Hindernis für schwächere Verkehrsteilnehmer:innen, in deren Schutzzonen (Radweg, Gehweg) sie eindringen.

Am Beispiel des Hauptstraßenbereichs von Hainhausen (Alfred-Delp-Straße) und Weiskirchen (Hauptstraße) von der großen ampelregulierten Zufahrt nach Hainhausen bis zur Kreuzung mit der Udenhoutstraße in Weiskirchen ist exemplarisch ersichtlich, wie wenig radgerecht hier der Verkehr organisiert ist: Es beginnt in Hainhausen ab der mit Ampel geregelten Kreuzung in Richtung Norden mit einem einseitigen Radweg; ab ungefähr der Höhe des Discounters ist in beide Richtungen ein Radweg. Die Breite des Radweges ist nicht zeitgemäß, sondern im Gegenteil viel zu schmal: Zufußgehende und Radfahrende teilen sich den begrenzten Raum.

Rodgau Weiskirchen Hauptstrasse

Auf der Straße ist Tempo 30 vorgegeben. In nördlicher Richtung direkt hinter dem Ortsschild Weiskirchen, unmittelbar nach der Münchhausenschule und der Geschwister-Scholl-Schule, endet der Radweg abrupt und die Höchstgeschwindigkeit erhöht sich auf 50 Stundenkilometer[1]. Rad Fahrende, vor allem Schulkinder, müssen nun ihren geschützten Bereich – den Radweg – verlassen und werden auf die Hauptstraße geleitet. Um die Gefahr für sich zu reduzieren, fahren immer mehr Personen auf dem Bürgersteig weiter und gefährden nun ihrerseits Zufußgehende.

Wer mit offenem Blick durch Rodgau geht oder mit dem Rad fährt kann erkennen, wie rudimentär auf die Bedürfnisse von mit dem Rad fahrenden Personen eingegangen wird. Radwege sind häufig in einem schlechten Zustand und nicht durchgängig ausgebaut. Dies wird durch das Abschneiden der Stadt Rodgau beim ADFC Fahrradklimatest 2020 untermauert, bei dem es für Rodgau die Schulnote 3,7 gab. So wird vor allem bemängelt, dass kaum gegen falsch parkende Autos auf Radwegen vorgegangen wird, die Ampelschaltungen für Radfahrende ungeeignet sind und generell, dass Fahren im Mischverkehr mit Kfz eher für Stress sorgt, als dass es Spaß macht. Des weiteren wird bemängelt, dass es kein in gleicher Qualität durchgängiges Netz an Radwegen gibt, die zudem als solche für alle erkennbar sind. Aber nicht nur an den Ortsdurchfahrten gibt es Probleme: Auch am Bahnpfädchen gibt es Lücken (z.B. Bahnhof Jügesheim und Dudenhofen), die für Nutzer:innen zur Gefahr werden können, wie auch an weiteren Verbindungen. Bereits vor zwei Jahren hatte der ADFC Rodgau nach der Veröffentlichung der Ergebnisse aus dem Fahrradklima-Test 2018 Ortsbefahrungen durch alle Stadtteile mit Bürger:innen unternommen, wo diese auf für sie gefährliche Stellen aufmerksam machen konnten. An die 200 Stellen wurden dokumentiert und Forderungen daraus abgeleitet. Die Dokumentation wurde Bürgermeister Jürgen Hoffmann Ende November 2019 öffentlich übergeben.

Als Initiative „Nachhaltig in Rodgau!“ wollen wir aktiv zu einer Verkehrswende in Rodgau beitragen. Deshalb haben wir uns intensiv mit der Frage, was hier verbessert werden muss, befasst. Da kam die Idee des ADFC („Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V.“), das Wissen und die lokalen Bedürfnisse der Bürger:innen in die Planung eines WUNSCH-Radwegenetzes aktiv einzubinden, gerade recht. Hier empfiehlt der ADFC, die Methode eines Mapathon[2] zu verwenden.

2. Das Bundesverkehrsministerium stellt 1,46 Mrd Euro zur Verfügung

Auch das Bundesverkehrsministerium will es nicht länger hinnehmen, dass Radwege als lückenhaftes und nicht miteinander verknüpftes Netz unvollständig bleiben. Deshalb stellt das Bundesverkehrsministerium zur Förderung und Finanzierung des Radverkehrs bis Ende 2023 1,46 Milliarden Euro zur Verfügung.

Ergänzend zum Fördertopf des Bundes stellt das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen im Rahmen der Nah-Mobilität ebenfalls ein Förderprogramm für Schulwege zur Verfügung.

Die Stadt Rodgau darf sich diese Fördermöglichkeiten zum Ausbau des Radwegenetzes nicht entgehen lassen. Die Zeit ist reif und die finanziellen Mittel stehen bereit, dass wir gemeinsam etwas für unsere Lebensqualität und die Sicherheit unserer radfahrenden Mitbürger:innen von jung bis alt unternehmen.

Unsere, im weiteren Verlauf dargestellten, Ausarbeitungen decken sich zu unserer eigenen Überraschung in weiten Teilen mit dem vor fast 20 Jahren verfassten Schlussbericht „Radverkehrskonzept für die Stadt Rodgau“. Die Untersuchung wurde im Auftrag der Stadt durch die Ingenieursgesellschaft mbH Habermehl+Follmann erstellt und im August 2002 der Stadt Rodgau vorgelegt. Bedauerlicherweise wurden weder die Ergebnisse noch die vorgeschlagenen Maßnahmen im politischen Raum ernsthaft und ergebnisorientiert diskutiert. Man begnügte sich damals damit, fast ganz Rodgau zu einer Tempo-30-Zone zu machen – doch leider wurden nur die Schilder aufgestellt. Nötige Umbaumaßnahmen gab es bis heute nicht, Kontrollen gibt es kaum.

In den kommenden Wochen werden wir hier auf dieser Seite unsere Ausarbeitungen veröffentlichen und hoffen auf viele Rückmeldungen von Rodgauer Bürgerinnen und Bürgern, sodass das WUNSCH-Radwegenetz für Rodgau auf so vielen lokalen Experten:innen-Meinungen wie möglich beruht. Ein besonderes Anliegen von uns ist es, das Radfahren für Kinder und Jugendliche so sicher und angenehm wie nur irgend möglich zu machen, da Kinder und Jugendliche unserer Meinung nach die größte Gruppe an regelmäßig radelnden Bürgerinnen und Bürgern darstellen und sicher, bequem und direkt ihre Ziele erreichen sollten.

3. Die Gestaltung des Wunsch-Radwegenetzes

Da Rodgau geografisch aus fünf in Nord-Süd-Richtung aufgereihten Ortsteilen besteht, bilden sechs Nord-Süd-Radwegeachsen (dicke rote Linien) das Kerngerüst unseres Wunschradwegenetzes und sollen so ein komfortables, umwegfreies, behinderungsarmes und sicheres Radfahren von Weiskirchen bis Nieder-Roden ermöglichen. Wo diese schon ganz oder teilweise existieren (z.B. Bahnpfädchen oder entlang der Rodgau-Ringstraße), haben wir sie übernommen: hier gilt es in Zukunft, diese Achsen zu vervollständigen und für sicheres und bequemes Radfahren zu optimieren. Wo diese noch völlig fehlen – insbesondere als zentrale Nord-Süd-Verbindung innerhalb der Ortsteile – haben wir sie entlang bestehender Straßen neu definiert: hier müssen in Zukunft Radwege geschaffen und in die Mobilitätsinfrastruktur so integriert werden, dass sicheres, bequemes und nutzerfreundliches Radfahren abgestimmt mit den übrigen Mobilitätsformen möglich wird.

Die Nord-Süd-Achsen haben wir um Ost-West-Achsen (dünne rote Linien) in jedem Ortsteil – zumeist unter Nutzung bestehender Querungsmöglichkeiten der Bahnlinie – ergänzt, so dass auf diesem Netz von Radwegeachsen alle relevanten Ziele in Rodgau mit dem Fahrrad möglichst direkt und schnell erreicht werden können.

Zusätzliche Lückenschlüsse innerorts (gestrichelte magenta-farbene Linien) und zu bestehenden regionalen Radwegen (gestrichelte dunkelblaue Linien) vervollständigen das Radwegenetz, so dass alle Wohnquartiere mit jedem Zielpunkt in Rodgau per Fahrrad verbunden sind. Dieses Gesamtnetz gilt es in den nächsten Jahren auf die Bedürfnisse der Radnutzenden hin qualitativ hochwertig auszubauen, so dass Radfahren in Rodgau perspektivisch mindestens so attraktiv, sicher und bequem wird wie Autofahren. Aus einem Verkehrsnetz für Pkw wird so Schritt für Schritt eines für alle Mobilitätsformen; kurze und mittlere Wege können dann ohne Verlust an Sicherheit und Komfort klima- und umweltfreundlich zu Fuß oder per Fahrrad statt wie heute per Pkw zurückgelegt werden.

4. Die Karte des Wunsch-Radwegenetzes

Damit man sich dieses zukünftige Wunsch-Radwegenetz für Rodgau besser vorstellen kann, haben wir eine Karte ausgearbeitet, um die Wege, Strecken und Verbindungen zu visualisieren. Die nachfolgende interaktive Karte verfügt über eine erklärende Legende und ist über verschiedene Steuerungsknöpfe zu bedienen. Zur besseren Ansicht empfehlen wir, die Karte über diesen Link in einem neuen Browserfenster in großer Darstellung zu betrachten. Die ausgearbeitete Karte gibt es alternativ auch unter diesem Link zum Download (65 MB) als Bild-Datei im PNG-Format.

Marathon Rodgau - Ein Wunsch-Radwegenetz
Das Anklicken obiger Grafik öffnet die interaktive Karte in einem neuen Fenster

Zum besseren Verständnis der interaktiven Karte haben wir ein kurzes Video mit Bilduntertiteln erstellt, um die Bedienung bzw. Gestaltung des Radwegenetzes etwas zu erklären. Das Video kann unter nachfolgendem Link abgerufen werden.

5. Deine Mithilfe ist gefragt

Damit die Ausarbeitung des Wunsch-Radwegenetzes für Rodgau nicht nur auf den Wünschen einer handvoll Aktiver beruht sind wir auf Deine Mithilfe angewiesen, ob alle Ziele in Rodgau berücksichtigt wurden und, ob diese Ziele für Radfahrende optimal miteinander verbunden sind. Wir haben eine interaktive Karte erstellt, auf der Du Ausgangs- und Zielorte findest, die durch Verbindungen miteinander verknüpft sind. Wenn wir ein Ziel in Rodgau vergessen haben, Dir sonst etwas auffällt, Du anders radeln (vielleicht auch deshalb, da die Wegbeschaffenheit zu schlecht ist oder Ampelschaltungen dich ausbremsen) würdest, freuen wir uns über deine Rückmeldung. Bedenke, dass es hier zunächst nur um Wunschrouten geht – ganz unabhängig davon, wie der aktuelle Zustand der Wege ist und, ob es dort überhaupt einen Weg bzw. ein Durchkommen gibt. Des weiteren möchten wir von Dir wissen, welche Örtlichkeiten in Rodgau Dir als radfahrende Person unangenehm sind, Dir Angst machen, Du als gefährlich empfindest.

Deine Rückmeldung kannst Du uns per E-Mail an zusenden. Du kannst aber auch mit uns im Rahmen zweier einstündiger Videokonferenzen (über Zoom), bei denen wir das Radwegenetz und die Karte vorstellen, in den Dialog treten und uns Deine Anregungen auf diesem Weg mitteilen. Die Videokonferenzen finden an folgenden Terminen statt:

  1. Mittwoch 30. Juni 19 Uhr (via Zoom)hat bereits stattgefunden
  2. Donnerstag 15. Juli 20 Uhr (via Zoom)hat bereits stattgefunden

Wenn Du an einer Videokonferenz teilnehmen möchtest schicke uns bitte eine E-Mail an mit der Angabe für welches Datum Interesse besteht. In unserer Antwort befindet sich der Link zur Videokonferenz.

Wir bieten auch im Rahmen der ADFC-Codier-Aktion einen Infostand am Samstag 10. Juli (10 – 15 Uhr) vor der Emmausgemeinde in Jügesheim (Berliner Straße 2) an. Dort besteht die Möglichkeit uns persönlich Rückmeldungen zum Wunsch-Radwegenetz zu geben. (hat bereits stattgefunden)

Ein besonderes Anliegen von uns: Wir möchten das Rodgauer Radwegenetz vor allem für Kinder und Jugendliche so sicher wie möglich machen. Deshalb würdest Du uns einen großen Gefallen erweisen, wenn Du Eltern/Großeltern von dem Projekt „Ein WUNSCH-Radewegenetz für Rodgau“ erzählst. 

Nutze die Gelegenheit! Du kannst unser Projekt unterstützen und aktiv dazu beitragen, dass Rodgau fahrradfreundlicher wird. Also, lass uns gemeinsam ein Wunsch-Radewegenetz für Rodgau gestalten. Meld‘ Dich bei uns.

6. Was passiert mit der Ausarbeitung des Wunsch-Radwegenetzes?

Wir werden das um das Bürgerfeedback ergänzte Wunsch-Radwegenetz zusammen mit einer ausführlichen Dokumentation des Projektverlaufs, der Ergebnisse und der Forderungen auf Realisierung an die Stadt Rodgau übergeben, damit sie schnellstmöglich das Radwegenetz für Rodgau verbessert, da die 1,46 Mrd Euro Fördergelder nur bis Ende 2023 zur Verfügung stehen. Mit den vorliegenden Wünschen der Bürger:innen sollten Verkehrplaner der Stadt Rodgau und weitere Verantwortliche nun aktiv werden, um das Fördergeld nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Wir erwarten, dass Verkehrspolitik in Rodgau sich stärker an den Bedürfnissen der schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen orientiert und aktiv eine Verkehrswende gestaltet. Radwegverläufe wie eingangs geschildert vor der Geschwister-Scholl-Schule und der Münchhausen Schule sollen der Vergangenheit angehören.

7. Von der auto- zur bürgerfreundlichen Stadt

Der Verkehr in Rodgau soll zukünftig geprägt sein von dem Nebeneinander der unterschiedlichen Mobilitätsformen auf Augenhöhe. Das bedeutet auch, alle Teilnehmenden am Verkehr haben Anspruch auf das gleiche Sicherheitsniveau und vergleichbaren Komfort. Wenn hierfür in Zukunft die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind, wird sich auch die wünschenswerte Mobilität durchsetzen, d.h. im Normalfall Zufußgehen für kurze Strecken, Zufußgehen und Radfahren für kurze und mittlere Strecken und ÖPNV und PKW für mittlere und lange Strecken. Im Ort soll aber gelten: alle Verkehrsteilnehmer treffen sich auf Augenhöhe! „Null Unfall“ muss das Ziel für alle Teilnehmenden sein, auch für diejenigen, die über keine Knautschzone verfügen! 


Weitere Quellen / Verweise

[1] Seit Anfang August 2021 ist das Tempolimit auf der Hauptstraße durch Weiskirchen auf 30 Studenkilometer reduziert

[2] „Das Wort Mapathon leitet sich von den Begriffen Maps (deutsch: Landkarte) und Hackathon ab. […] Hinter dem Begriff Mapathon steckt ein Projekt, bei dem sich fahrradinteressierte Menschen einer Kommune oder Stadt zusammentun, um ein Wunsch-Radwegenetz zu erarbeiten und auf einem digitalen Stadtplan grafisch darzustellen.“ (Definition gemäß Projekt-Handbuch des ADFC)